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Das bedingungslose Grundeinkommen: einige Gedanken dazu

Klaus Kuenen

Aktualisiert: 16. Feb. 2022

Die Finnen wollen es testen und in der Schweiz stimmen die Bürger 2016 über ein das bedingungslose Grundeinkommen ab.

Das Thema ist gerade aktuell aber nicht nur anlässlich dieser Meldungen einige Gedanken von mir dazu.


Der Finanzwirtschaftliche Aspekt.

Ein kurzer Blick auf die Zahlen zeigt schon, dass es bei diesem Thema eben nicht nur um Zahlen und Finanzierbarkeit geht. Und wer ist bei solch großen Zahlen kompetenter als unser Bundeminister für Finanzen, Dr. Wolfgang Schäuble. Hier ein Zitat von ihm:

Ob er dabei an das bedingungslose Grundeinkommen gedacht hat weiß ich nicht aber 1 Billion, das sind ca. 1040 Euro pro Monat pro Kopf, bei einer Bevölkerung von rund 80Mio.

Weitere Aspekte lassen sich nur schwer beziffern: Sozialleistungen wie Arbeitslosengeld, Sozialhilfe, Rente, Ausbildungsförderung, Kindergeld fallen weg. Natürlich die dazu gehörende Verwaltung, mit tausenden von Arbeitsplätzen

Die Wissenschaft ist sich einig, dass ein #BGE finanzierbar ist (Nähere Infos z. B. hier: https://de.m.wikipedia.org…).

Das bedingungslose Grundeinkommen würde unser Wirtschaftssystem gravierend verändern, allerdings anders, als der erste Reflex vieler zum Thema Befragter vermuten lässt. Den entgegen eben diesem Impuls: „…dann würde ja keiner mehr arbeiten…“ zeigen Studien dazu, dass die meisten Menschen weiterarbeiten würden – dazu Verweise auf entsprechende Studien unter „Studien“ – aber würden sie es noch zu den aktuellen Bedingungen tun? Und wenn sich die Arbeitsbedingungen durch den entstehenden Druck immer weiter verbessern, wozu braucht man dann noch Gewerkschaften?

Natürlich werden Teilzeitjobs attraktiver, übrigens auch für Arbeitslose, da ihr Einkommen nicht mit dem bedingungslosen Grundeinkommen verrechnet wird. Anders als im aktuellen System.


Das bedingungslose Grundeinkommen ist eine Steuerreform

Im Kern läuft es darauf hinaus: Wir würden für unseren Sozialstaat eine neue Finanzierung aufbauen: Bisher wird sie zum größten Teil über die Lohn- und Einkommenssteuer finanziert. Da es bei einem BGE System zu erheblich weniger Steuererträgen käme, müsste eine andere Finanzierung gefunden werden. Diskutiert wird hier vor allem die Erhöhung der Verbrauchssteuern – der Mehrwertsteuer. Also ein Schritt weg von der Besteuerung der Einkommen hin zur Besteuerung der Ausgaben.

Die man bei dieser Gelegenheit auch grundsätzlich von historischen Altlasten bereinigen könnte. Oder warum gibt es auf Babynahrung eine Mehrwertsteuer von 19% und auf getrocknete Schweineohren als Hundesnacks 7% ?? Und ja, Reitpferde zählen wie Butter, Milch und Eier zum Grundbedarf und werden daher mit nur 7% besteuert.

Es stellt sich auch die Frage: wenn deutsche Stundensätze bei einem Wegfall der Einkommenssteuer günstiger werden könnten, welche Auswirkungen hätte das auf Importprodukte? Nach einer Berechnung bei Wikipedia würden sich Importe verteuern. Bei Exporten ist dies allein von der Erhebung der Exportzölle abhängig.


Kulturell

Einige Aspekte sind ansatzweise berechenbar – andere sind kaum zu kalkulieren. Das überlasse ich gerne ökonomischen Untersuchungen. Viel spannender finde ich die kulturellen Aspekte. Also alles, was sich auf die persönlichen Werte und die daraus normierten Regeln unserer Gesellschaft zurückführen lässt. Nur noch mal zur Erinnerung: wir sind es, die das Lebensumfeld unserer eigenen Gesellschaft gestalten. Wir gestalten unser Lebensumfeld nach unseren intrinsischen Werten oder –wenn wir diese negieren- aus genau dem Gegenteil davon.

Ich finde es daher berechtigt und wichtig zu fragen, welche Gefühle bei uns persönlich die Vorstellung eines Szenarios unserer Gesellschaft mit einem bedingungslose Grundeinkommen hervorruft. Wollen wir das? Folgen wir weiter unseren Reflexen oder trauen wir uns, ernsthaft darüber nachzudenken? Und wie könnte dann ein solches Szenario aussehen?

Ich formuliere es mal pauschal: da Regierung und Wirtschaft an einer gravierenden Veränderung unseres Steuersystems kein Interesse haben, liegt es an den Bürgern, hier aktiv zu werden.

Man kann es auch einfach ausprobieren, wie die Initiative „Mein Grundeinkommen“ von Michael Bohmeyer …einfach mal lesen. Knackpunkt sind hier allerdings die nicht angepassten Rahmenbedingungen. Das alles findet eben innerhalb unseres etablierten Systems und der damit verbundenen Prozesse statt. Trotzdem gibt es einen weiteren Hinweis auf die Auswirkungen auf kultureller Ebene.

Vielleicht entsteht die Notwendigkeit über alternative Strukturen nachzudenken aber auch aus dem Aspekt: „Sozialer Frieden“, wie in einem Artikel aus der FAZ zu lesen ist. https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/wirtschaftspolitik/nach-davos-diskutieren-wieder-alle-ein-bedingungsloses-grundeinkommen-14052661.html

Sicher ist das bedingungslose Grundeinkommen, wie es aktuell diskutiert wird, ein wesentlicher Bestandteil für eine gerechtere und mündigere Gesellschaft. Selbstverantwortung und Kreativität würden wichtiger als die Betreuung durch Ämter und Behörden.

Mal als Gedankenspiel: wie fühlt sich eigentlich ein Familienvater/Mutter der zwar eine Arbeit hat, damit aber nicht in der Lage ist, für seine Familie angemessen zu sorgen. Damit meine ich nicht den Konsum von Luxusgütern aber sicher die Möglichkeit, Kindern die Klassenfahrt,  den Sportverein, den Musikunterricht etc. zu bezahlen. Welchen Druck lebt er/sie den Kindern vor und welche Werte geben wir der nächsten Generation so eigentlich mit auf den Weg? Und wie würde dieses Szenario aussehen, wenn wir nun das bedingungslose Grundeinkommen dazu annehmen?

Nebenbei ist es natürlich ein Unding, dass es für Kinder in der Schule ein Fach wie wirtschaften (im ursprünglichen Sinne) nicht gibt.


Erste Überlegungen zu Aspekten des Themas

dazu finden sich bei vielen der frühen Wirtschaftsdenker. So z.B. bei John Stuart Mill, der 1848 erklärte, dass die Regeln der Ökonomie (Anm. Mill glaubte noch an die ökonomische Gesetze in Analogie zu naturgesetzlichen Gegebenheiten) nichts mit der Verteilung von Wohlstand zu tun haben. Auch sei die Gestaltung von Wirtschaftssystemen einzig abhängig von Mentalität und Gebräuchen. Für weitere Aspekte lohnt es sich, in den Arbeiten von anderen Wirtschaftswissenschaftlern nachzulesen: z.B: Robert Joseph Barro, für den die Höhe des Staatsdefizits irrelevant ist, ebenso ob sich die Ausgaben aus Krediten oder Steuern finanzieren. Wichtig allein sei, welche Ausgaben finanziert werden: Konsum oder Investition. oder Nicholas Gregory Mankiw, für den der Wohlstand einer Gesellschaft entscheidend davon abhängt, in welchem institutionellen Rahmen Güter und Dienstleistungen produziert werden. John Kenneth Galbraith stellte schon in den 1960er Jahren fest, dass eine Unterversorgung des öffentliche Sektor (Sozialausgaben) zu einem gesellschaftlichen Ungleichgewicht führt, was sich für ihn in verwahrlosten Städten, defizitärer Infrastruktur und andauernder Armut im reichen Amerika zeigt. Auch spannend: Joan Violet Robinson, die Mitte des 19.Jahrhunderts über die ökonomischen Macht Bildung schreibt: die Verquickung von Politik und unternehmerischen Strategien. Und etwas aktueller: Mancur Lloyd Olson, ein Wegbereiter des Good Governance Konzepts, zu den Mechanismen und Auswirkungen der Einflussnahme kleinerer Gruppen auf größere Systeme.


Studien

Wer seine finanziellen Sorgen loswird, arbeitet nicht automatisch weniger dazu gibt es zahlreiche Studien und Untersuchungen:

Vgl.: Axel Marx, Hans Peeters, Niederlande, 1000€ Lifetime Lotterie (84 Gewinner), 2004

Lyndon Johnson, USA, „Amt für wirtschaftliche Chancen“, 1968-1971

Kanada Den Anfang machte Mitte der 1970er-Jahre die kanadische Regierung, die im Rahmen eines sozialen Experiments bis zu 1300 Familien ein garantiertes Minimaleinkommen auszahlte, um zu sehen, ob so die Armut verringert werden könnte. Das Ergebnis: Trotz Grundeinkommens legte sich kaum jemand der Nutznießer auf die faule Haut.

Gäbe es in Deutschland ein Grundeinkommen, würden laut einer Umfrage von Imas International aus dem Jahr 2010 rund 72 Prozent aller Erwerbstätigen weiter arbeiten wie bisher. Rentner, Arbeitslose und Hausfrauen würden im Durchschnitt sogar mehr arbeiten als bisher. Ein Viertel derjenigen, die zur Zeit der Befragung illegalen Beschäftigungen nachgingen, will das dann unterlassen.

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